Beitrags-Archiv für die Kategory 'Allgemein'

Im Wartezimmer

Mittwoch, 18. Juni 2008 20:22

Ich dachte immer, im Wartezimmer eines Arztes sei Ruhe angebracht, aus Rücksicht auf die mehr oder weniger großen Leiden der Anwesenden. Das ist und war mir so selbstverständlich wie die Stille in einer Kirche, und ich habe das auch nie anders gekannt – bis ich heute in die Praxis der Vertretung meiner Hausärztin kam. Der Lärmpegel kam durchaus jenem eines Heurigen bei Hochbetrieb gleich, wenn er ihn nicht gar übertraf, und war vorwiegend verursacht durch mehr oder weniger sinnloses, aber meist gut verständliches Geschwätz, was die Sache noch unerträglicher machte.

„Da Schdeina is heid gschtuam!“

„Wooos? Naaa!“

„Des gibts jo ned, den hob i do gesdan nu xeng!“

Letzteres ist wohl die dämlichste Replik auf eine Todesnachricht, die mir je untergekommen ist (und sie hört nicht auf, mir unterzukommen), denn sie setzt offenbar voraus, daß jeder seinen Tod so mindestens zwei, drei Wochen vorher ankündigen muß – Todesanzeige im vorhinein: „Achtung, Achtung! Steiner Peppi gibt sich die Ehre bekanntzugeben, daß er in drei Wochen, das ist der 27. des Monats, aus diesem Leben abtreten wird. Es wird dies ein plötzlicher Tod nach kurzer, schwerer Krankheit werden. Begräbnis wird sein den 31., 14.00 Uhr, Leichenschmaus beim Koarl-Wirt. Ich freue mich auf Euer Kommen, meine Erben auf mein Gehen!“. Eine derartige Anzeige unterlassen, sich am Vortag seines Todes noch auf der Straße zeigen und dann aus heiterem Himmel einfach krepieren, das gilt nicht!

„Geh hearauf! Wos’d ned soxt!“

„Dawäu hoda nix graucht und nix drunga! Minn Rahl isa nu oiwei untawex gwesn!“

Tatsächlich? Auch Nichtraucher und Abstinenzler haben ein Ablaufdatum und sind keine Jünger des ewigen Lebens? Wie überraschend!

„Wia oid woara denn?“

„Zwaradochzg!“

„A so a junga Bua nu!“

Gott sei Dank wurde ich von der Ärztin aufgerufen, und der weitere Verlauf des Gesprächs blieb mir erspart.

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Josef Helmut Ettl

Freitag, 29. Februar 2008 23:37

Josef Helmut Ettl, Regens Chori des Königsbrunner Kammerchores

Magier der Musik – Josef Helmut Ettl in memoriam

Ich wünsche, ich hätte ihn früher getroffen. Aber was ist das für ein Unsinn: ich wünsche eigentlich, er hätte länger gelebt. Wesentlich länger. Es war mir nur wenig mehr als ein Jahr vergönnt, unter seiner Leitung im Königsbrunner Kammerchor zu singen, den er aufgebaut, zu Höchstleistungen geführt und über dreißig Jahre lang gleichsam um Gottes Lohn geleitet hat.

Nicht daß ich der Musik jemals ferne stand, aber er brachte sie mir noch näher, öffnete mir die Augen dafür, daß ich ihr noch lange nicht nahe genug stand.

Das durch seine eigene Mitgerissenheit Mitreißende in seinen Chorproben, sein – bisweilen verzweifelter – Eifer, mit denen er oft plausibel machte, warum eine musikalische Phrase genau so zu singen war und nicht anders, nicht so, wie wir sie gerade sangen, seine funkelnden, fast glühenden Augen, mit denen er uns beschwor, doch mit Freuden, aus dem Herzen zu singen, wobei seine Stimme fast schon in ein ein Geheimnis offenbarendes Flüstern überging – das alles wird mir unvergeßlich bleiben, das alles werde ich immer im Ohr, vor Augen haben, in meinen Erinnerungen bewahren, das alles macht auch erklärlich, wie dieser Chor das Niveau erreichen konnte, das er nun hat – kurzum die ganze Seele, die er in diese Arbeit, in die Musik überhaupt hineinlegte. Die Seele, und der Leib, den er gemäß seiner oft gepredigten, von uns müden Choristen aber oft nicht gehörig beherzten Devise „Singen ist Schwerarbeit!“ mit vollem Gewicht in den Kampf gegen verwischte Terzen, krächzende Höhen und sonstige musikalische Schlampereien warf. Leib und Seele – das war sein Geheimnis, das Geheimnis jedes Professionisten, und das war das Geheimnis des Erfolges in seinem Beruf und seiner Berufung, in das er uns einzuweihen versucht hat, das er, wie ein Magier einen Zauberspruch, in monotoner Beharrlichkeit wiederholt hat, in der Hoffnung, daß es doch endlich Früchte trage.

Es hat Früchte getragen. Das Niveau des Chores beweist es. Dieses Niveau war auch der Grund dafür, daß ich mich entschloß, ein Teil dieses Chores zu werden. Und es war auch der Grund dafür, daß mir diese Entscheidung nicht gerade leicht fiel, da ich nicht wußte, ob ich dem verlangten Können überhaupt gewachsen war. Ich bin froh, daß ich mich für den Chor entschieden habe, wenn ich auch zuweilen plötzlich orientierungslos in einen fundamentalen Baß abgeglitten bin: Helmuts „Wer brummt denn da wieder den Schusterbaß?“ hat mir dann meistens wieder den Weg zurück in die richtigen Zeilen des Notensystems gewiesen.

Ich habe viel gelernt in dieser Zeit. „Der tiefste Ton ist der höchste!“ – „Vergiß den Hund nicht!“ – „Sei eine klingende Luftsäule!“. Teils beginne ich die Bedeutung dieser Aussagen zu begreifen, teils kann ich sie schon umsetzen. Aber immer wieder höre ich sie mit seiner Stimme, als ob er vor mir stünde, und wenn ich so für mich singe, dann so, als ob seine kritischen Ohren mithörten.

Leib und Seele. Sein Leib ist nicht mehr greifbar. Seine Seele singt weiter in mir, in allen, die ihn liebten – und das müssen viele sein.

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Josef Helmut Ettl (1947-2008)

Sonntag, 17. Februar 2008 22:09

Josef Helmut Ettl

Leb wohl, Helmut!

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