Beiträge vom April, 2013

Die Königsbrunner Kellergasse

Montag, 15. April 2013 4:00

Fährt man auf der Niederösterreichischen Landesstraße 14, die in ihrem Verlauf ständig ihren Namen wechselt und bald Wagramstraße, bald Wiener Straße, Kremser Straße oder Alte Weinstraße heißt und schon facettenreich schillert wie der Wagramer Wein, durch Königsbrunn am Wagram, kommt man etwa in der Ortsmitte an eine Kreuzung, an der man Richtung Süden auf die S5 weiterfahren kann.

Man kann aber – und das empfiehlt sich – nach Norden, in Richtung Ruppersthal (das als Geburtsort des Komponisten und Klavierfabrikanten Ignaz Franz Pleyel und Sitz des Pleyel-Museums für kulturgeschichtlich Interessierte auch als Alibi herhalten kann) abzweigen, und dann ist man in der Königsbrunner Kellergasse, oder besser gesagt in deren Hauptteil, der sich „Am Bromberg“ nennt.

Mählich steigt sie als Hohlweg den Wagram hinan, vorbei an großen Preßhäusern und einem kleinen Fischteich, der von Nußbäumen beschattet und der im Jahre 1999 renovierten Lourdes-Kapelle beschützt wird. Hier ist gut Verweilen für Katholiken und Kinder, Asketen und Antialkoholiker. Diese Kapelle ist eine Station des Jakobsweges, Pilger können hier mit Wasser aus einem Wasserkeller ihren Durst stillen, und gleich hinter der Kapelle hat die Gemeinde ihren jüngsten Bewohnern einen Spielplatz beschert.

Für Antiabstinenzler hat die Kellergasse aber natürlich am meisten zu bieten. Von den etwa 60 vielgestaltigen Kellern, Preßhäusern und Vorkappeln sind die meisten noch gut erhalten oder mehr oder weniger geschmackvoll renoviert. Aber selbst die wenigen verfallenen Keller fügen sich harmonisch in das Ensemble ein, als nicht zu aufdringliches, aber stetiges Memento mori auf einem vielleicht weinseligen Rundgang.

Am letzten Wochenende in den Sommerferien ist allerdings Vorsicht angebracht, denn da gehen mehr Leute in der Kellergasse, als Leute in die Kellergasse gehen. An diesen Tagen findet seit 1997 das mittlerweile legendäre Königsbrunner Kellergassenfest statt, an dem fast jeder Keller etwas zu bieten hat. Im daran anschließenden Weinherbst, der bis zur Weintaufe Mitte November dauert, hat dann jede Woche zumindest ein Winzer ausgesteckt.

Ein weiterer Fixpunkt im Jahreslauf der Kellergasse ist der „Advent im G’wölb“ am letzten Adventsonntag, ein vorweihnachtliches Konzert des Königsbrunner Kammerchores, das seit vielen Jahren im Keller der Familie Mann stattfindet, der sich mit dem mehr oder weniger sympathischen Motto „Arbeit ist des Menschen Los“ präsentiert.

Die Kellergasse endet, wie so vieles, am Friedhof. Ein weiteres Memento mori, oder auch eine Aufforderung zur Umkehr – vielleicht ist ja auch eine abermalige Einkehr damit verbunden.

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Fährt nicht mehr

Samstag, 13. April 2013 18:01

(in memoriam Alois Strasser)

Der mit dem Fahrrad fuhr
Die Straße hin und her,
Der fährt nicht mehr.

Die schwarze Fahne weht.
Im Florianihaus
War er zu Haus.

Er sprach viel dummes Zeug
Und trank viel Alkohol,
War einsam wohl.

War einsam ganz bestimmt!
Am Grabe stand nur – wer?
Die Feuerwehr!

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Rettung vor herannahenden Zug

Sonntag, 7. April 2013 11:15

„Passanten retteten Frau vor herannahenden Zug“ stand heute am 7.4.2013 um ca 7:00 Uhr auf der ORF-Website.Da frage ich mich natürlich, wovor die Passanten die Frau denn gerettet haben, denn der Satz sagt nur, wohin sie die Frau retteten, nämlich vor den herannahenden Zug. Es muß jedenfalls etwas sehr Schreckliches gewesen sein, wenn ein herannahender Zug Rettung bedeutet.

Rettung vor herannahenden Zug

Rettung vor herannahenden Zug

Aber das unbekannte Wesen, vor dem man die Frau vor den herannahenden Zug gerettet hat, muß schon einmal aufgetaucht sein, denn schon am 9.12.2009 berichtet salzi.at von einer Rettung vor einen herannahenden Zug:

Rettung vor herannahenden Zug

Schon einmal dagewesen: Rettung vor herannahenden Zug

Vielleicht aber war es nur eine der allzu häufigen Verwechslungen von Dativ und Akkusativ. Was den ORF-Beitrag betrifft, dürfte es wohl so gewesen sein, denn die ORF-Redaktion hat ein paar Minuten nach meinem Aufruf der Website auf „vor herannahendem Zug“ korrigiert, nur mehr Googles Cache ist Zeuge des Lapsus.

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Kunst als konservierte Gegenwart

Dienstag, 2. April 2013 17:35

Daß es Vergangenheit gibt, als Kategorie der Zeit, erhellt der Verlust eines Fingers mehr als das Wissen um die ganze römische Geschichte. Daß Caesar wirklich gelebt hat, ist nicht so sicher wie die Tatsache, daß man nur mehr mit dem Zeigefinger der linken Hand nasenbohren kann.

Die Zukunft wird immer kleiner, so man sie sich als riesige Wurst vorstellt, davon die Zeit Scheibchen für Scheibchen abschneidet. Wahrscheinlicher aber ist, daß die Zukunft unendlich ist, wenn man die Zeit als ens per se betrachtet.

Was aber ist Gegenwart? Ein Schauplatz, auf dem sich die Zukunft manifestiert und zum Vergangenen wird. Ein winziger Schnittpunkt, wo sich die Zukunft mit der Vergangenheit trifft. Die Zukunft wird also zur Vergangenheit. Wie lange dauert aber die Gegenwart? Dauert sie überhaupt? Kunst ist das Ergebnis des Dranges, Gegenwart zu schaf­fen. Kunst soll einen Zustand konservieren und ihn beliebig oft wiederholbar machen. So verschieden auch die Interpretationen sein mögen, so sicher entwickelt sich aus der Wiedergabe, aus jedem Aufnehmen eines Kunstwerks der Geist, die Idee, der Wille des Künstlers. Es kommt nicht auf den Aufnehmenden an. Der Künstler aber hat erreicht, was er wollte: sein zu können, wenn er nicht mehr ist.

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